I
Mit sofortiger Wirkung bin ich Ende Juni als Präsident des Studienzentrums Weikersheim zurückgetreten.
Damit kam ein langer Erwägungsvorgang zum Ende, während dessen eine Dissonanz zwischen der Integrität meiner philosophischen und institutionellen Bemühungen mit der faktischen Interessenlage einer Mehrzahl von Mitgliedern und der Institution immer weitergehend deutlich wurde.
Ich sehe mit Besorgnis und Entsetzen, wie „Bewegungen“ wie die AfD und PEGIDA, unter Berufungen auf „Abendland“ und gesellschaftliche Homogenität eine Unkultur von Ressentiment und Hass neu aussäen. Die widerlichste Ausgeburt dieser Tendenzen ist ein neuer oder gar nicht neuer deutscher Antisemitismus, der es natürlich nicht sein möchte.
Meine klare Linie, jedwede Berührung des SZW mit diesen Tendenzen eindeutig zu verneinen, ist bis in den engeren Kreis des Präsidiums hinein nicht geteilt worden, ohne dass ihr offen widersprochen worden wäre.
Diesen Grunddissens konnte ich nicht länger ignorieren.
II
Ich hatte im Juni 2011 das Studienzentrum, wissend um sein problematisches Erbe, übernommen, um daraus einen liberalen, metapolitischen Denkkreis zu formen, beste europäische Traditionen seit der Antike aufnehmend. Auch die, von Kant angemahnte Verschränkung des Patriotischen mit dem Universellen, des Nationellen, nicht Nationalen, und des Globalen, sollte dabei eine Rolle spielen.
Einerseits hat diesen Versuch das Odium des SZW eingeholt. Es hat mit der mehr als ambivalenten Vita seines Gründers Ministerpräsident a.D. Prof. Hans Filbinger, ebenso zu tun wie mit der Unfähigkeit (nahezu) jeder konservativer Tendenz seit 1945, eine klare Zäsur zu dem nationaldeutschen Hexenkessel zu ziehen.
Erneuerungsversuche, die ich gemeinsam mit Prof. Michael Stahl 2013 versucht habe, sind an dieser Front zerbrochen. Sie sollten das Profil einer „anderen Moderne“, der Wahrung und Tradierung des ktema eis aei, des Besitzes für alle Zeit, sichtbar machen. Um der Wahrung des Konsenses willen habe ich seinerzeit mein Amt beibehalten – zum Unbehagen mancher Freunde, erst recht zum eigenen-.
Taktisch mag es blauäugig gewesen sein, das Studienzebntrum Weikersheim in diesem Sinn umsteuern zu wollen. Einen Versuch allerdings war es wert angesichts mancher echt konservativen Substanz in der Mitgliederschaft.
Von heute aus indes kann ich nüchtern und gelassen das Scheitern dieses Versuches konstatieren.
III
All dies bedeutet keineswegs, dass ich die Frage nach einem philosophisch und religiös fundierten Ethos der Politik preisgegeben hätte. Es heißt keineswegs, dass ich die funktionalistisch bürokratische Austreibung des Geistes aus der Mainstream-Universität und die Bildungs-Indifferenz gutheißen oder mit ihr meinen Frieden machen würde. Es heißt erst recht nicht, dass ich der dumpfen, brutalen, selbst „linksfaschistischen“ Antifa-Position irgend ein Recht geben würde. Deren Auftreten, soweit ich es an der eigenen Person bewundern konnte, ließ in mir den Abscheu vor jedwedem Opportunismus wachsen.
Es heißt aber, dass meiner Überzeugung nach die Liebe zum Eigenen die Universalität und die Zwiesprache mit Anderen mitdenken muss. Dass auch im christlichen und humanen Ethos jeder ideologischen Orientierung auf Freund-Feind-Positionen eine klare Absage zu erteilen ist. Und dass von Deutschland her die Shoah und das massenhafte Verbrechen des Hitler-Regimes die große Zäsur bleiben, die in aller und jeder Reflexion mitzudenken bleibt.
Nur in einem Austausch zwischen Kulturen und nicht zuletzt Religionen hat die in schwere Krisen geratene Welt eine Chance. Zu lernen, in an other voice zu reden und zu denken, wird der Probierstein eines künftigen Humanum sein. Dass vor diesem Hintergrund die undifferenzierte Verurteilung des Islam als eines „Totalitären Systems“ in nichts gerechtfertigt ist, ist überflüssig hinzuzufügen.